Statut der Reichsbank vom 24. Mai 1875

Titel: Statut der Reichsbank.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1875, Nr. 18, Seite 203 – 214
Fassung vom: 21. Mai 1875
Bekanntmachung: 24. Mai 1875
(Nr. 1072.) Statut der Reichsbank. Vom 21. Mai 1875.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

erlassen auf Grund des §. 40 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 177) im Einvernehmen mit dem Bundesrath im Namen des Deutschen Reichs nachstehendes

Statut der Reichsbank.

§. 1.

Die Reichsbank tritt am 1. Januar 1876 in Wirksamkeit.
Mit demselben Tage gehen alle Rechte und Verpflichtungen der Preußischen Bank, welche mit Ablauf des 31. Dezember 1875 ihre Wirksamkeit einstellt, nach Maßgabe des zwischen dem Reiche und Preußen unterm 17./18. Mai d. J. abgeschlossenen Vertrages, auf die Reichsbank über.

§ 2.

Das Grundkapital der Reichsbank von 120 Millionen Mark wird durch das Einschußkapital derjenigen Antheilseigner der Preußischen Bank, welche innerhalb der vom Reichskanzler bestimmten Frist den Umtausch ihrer Antheilsscheine gegen Antheilsscheine der Reichsbank verlangt haben, und durch die auf die neuen Bankantheilsscheine bis zu deren Nominalbetrag geleisteten baaren Einzahlungen gebildet.
Bevor eine Erhöhung des Grundkapitals durch Reichsgesetz festgestellt wird, hat, nachdem der Zentralausschuß gehört worden, die Generalversammlung über das Bedürfniß und das Maß der Erhöhung, sowie über die folgeweise etwa erforderliche anderweite Regelung des Theilnahmeverhältnisses am Gewinne der Reichsbank (Bankgesetz §. 24) Beschluß zu fassen.

§ 3.

Die Reichsbankantheile sind untheilbar und vorbehaltlich der Bestimmungen in §. 41 des Bankgesetzes unkündbar. Sie werden mit Angabe der Eigenthümer nach Namen, Stand und Wohnort in die Stammbücher der Reichsbank eingetragen. Ueber jeden Antheil wird ein Antheilsschein nach dem beiliegenden Formulare ausgefertigt. Mit dem Antheilsscheine erhält der Eigenthümer zugleich die Dividendenscheine für die nächsten fünf Jahre und einen Talon zur Abhebung neuer Dividendenscheine nach Ablauf des fünfjährigen Zeitraumes. Die Dividendenscheine und Talons lauten auf den Inhaber.

§ 4.

Wenn das Eigenthum eines Bankantheils auf einen Anderen übergeht, so ist dies unter Vorlegung des Antheilsscheines bei der Reichsbank anzumelden und in den Stammbüchern, sowie auf dem Antheilsscheine zu bemerken.
Im Verhältnisse zu der Reichsbank wird nur derjenige als Antheilseigner angesehen, welcher als solcher in den Stammbüchern eingetragen ist.
Zur Prüfung der Legitimation ist die Reichsbank berechtigt, aber nicht verpflichtet.

§ 5.

Die Uebertragung der Bankantheile kann durch Indossament erfolgen. In Betreff der Form des Indossaments kommen die Bestimmungen der Artikel 11 bis 13 der Wechselordnung zur Anwendung.

§ 6.

Wenn ein Bankantheil verpfändet ist, so ist dies unter Vorlegung des Antheilsscheines und der schriftlichen Erklärung des Antheilseigners bei der Reichsbank anzumelden; auf Grund dieser Anmeldung ist die Verpfändung in den Stammbüchern und auf dem Antheilsscheine zu bemerken.
Im Verhältnisse zur Reichsbank wird nur derjenige als Pfandgläubiger angesehen, welcher als solcher in den Stammbüchern eingetragen ist.
Zur Prüfung der Echtheit und der Rechtsgültigkeit der Erklärung ist die Reichsbank berechtigt, aber nicht verpflichtet.
Der Eigenthümer kann ohne Zustimmung des Pfandgläubigers keine neuen Dividendenscheine und im Falle des §. 41 des Bankgesetzes keine Zahlung auf den Bankantheil erhalten, wird aber im Uebrigen in seinen ihm nach dem Bankgesetze und diesem Statute zustehenden Rechten nicht beschränkt.
Die Löschung des Pfandrechts erfolgt auf Vorlegung des Antheilsscheines und beglaubigter Einwilligung des Pfandgläubigers.

§ 7.

Die für die Vermerkung von Uebertragungen oder von Verpfändungen der Bankantheile zu entrichtende Gebühr bestimmt das Reichsbank-Direktorium nach Anhörung des Zentralausschusses.

§ 8.

Wegen des Aufgebots und der Modifikation verlorener oder vernichteter Antheilsscheine kommen die Vorschriften des Gesetzes vom 12. Mai 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 91) mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an Stelle der Reichsschuldenverwaltung überall das Reichsbank-Direktorium tritt. Das Zeugniß des letzteren (§§ 2, 4 a. a. O.) wird dahin ertheilt, daß und für welche Person der betreffende Bankantheil in den Stammbüchern der Reichsbank noch eingetragen sei. Vor der Mortifikation hat der Antragsteller, wenn er mit dem zuletzt eingetragenen Antheilseigner nicht identisch ist, nachzuweisen, daß der letztere keinerlei Ansprüche auf den Antheil erhebe. An Stelle des mortifizirten Antheilsscheines wird demjenigen, zu dessen Gunsten die Modifikation ausgesprochen ist, auf seinen Antrag ein neuer Antheilsschein ertheilt.

§ 9.

Wegen der abhanden gekommenen oder vernichteten Dividendenscheine und Talons ist ein Mortifikationsverfahren nicht zulässig, und ebensowenig ist die Reichsbank verpflichtet, bei Nachweis des Verlustes neue Dividendenscheine und Talons auszugeben oder den entsprechenden Geldbetrag zu zahlen. Ist jedoch der Verlust eines Dividendenscheines dem Reichsbank-Direktorium innerhalb der Verjährungsfrist (§. 24 des Bankgesetzes) angezeigt, so ist dasselbe befugt, den Betrag nach Ablauf jener Frist dem Anzeigenden zahlen zu lassen, wenn der Dividendenschein nicht inzwischen präsentirt und eingelöst ist. Ist von dem Verluste eines Talons Anzeige gemacht, so vertritt die Vorlegung des Antheilsscheines die Einlieferung des Talons.

§ 10.

Der Ankauf von Effekten für fremde Rechnung darf erst erfolgen, nachdem die dazu erforderlichen Gelder bei der Bank wirklich eingegangen oder lombardmäßig (§. 13 Ziff. 3 des Bankgesetzes) sichergestellt sind. Ebenso muß bei Verkaufsaufträgen der Eingang der Effekten abgewartet werden.
Soll der Ankauf oder Verkauf von Effekten für Rechnung einer öffentlichen Behörde erfolgen, so kann die Erklärung, daß die Gelder oder Effekten zur Verfügung der Bank stehen, für genügend erachtet werden.

§ 11.

Der Reichsbank liegt ob, das Reichsguthaben (§. 22 des Bankgesetzes) unentgeltlich zu verwalten und über die für Rechnung des Reichs angenommenen und geleisteten Zahlungen Buch zu führen und Rechnung zu legen.

§ 12.

Der Werth der von der Preußischen Bank übernommenen Grundstücke ist in die für den 1. Januar 1876 aufzustellende Bilanz mit dem Betrage von zwölf Millionen Mark, zuzüglich der in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1875 auf die Grundstücke noch zur Verwendung gelangenden Kosten aufzunehmen.

§ 13.

Für die Aufstellung der Jahresbilanz sind folgende Vorschriften maßgebend:

1. Kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswerthe, welchen sie zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden.
2. Von den Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nur die Ausgaben für die Herstellung der Banknoten auf mehrere Jahre vertheilt werden. Alle übrigen Kosten sind ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung unter den Ausgaben aufzuführen.
3. Der Betrag des Grundkapitals und des Reservefonds ist unter die Passiva aufzunehmen.
4. Der aus der Vergleichung sämmtlicher Aktiva und sämmtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muß am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden.

§ 14.

Die Prüfung der Jahresbilanz erfolgt auf Grund der Bücher der Reichsbank durch die Deputirten, welche über das Ergebniß dem Zentralausschusse berichten.
Letzterer äußert sich gutachtlich über den Befund und über die Höhe der den Antheilseignern zu gewährenden Dividende. Das von den sämmtlichen in der betreffenden Versammlung anwesenden Mitgliedern des Zentralausschusses zu vollziehende Gutachten wird von diesem dem Reichsbank-Direktorium eingereicht.

§ 15.

Die Dividende wird spätestens vom 1. April des folgenden Jahres ab bei der Reichsbank-Hauptkasse und sämmtlichen Reichsbankhauptstellen und Bankstellen gegen Einreichung der Dividendenscheine gezahlt.
Mit Zustimmung des Zentralausschusses können auf die Dividende halbjährige Abschlagszahlungen bis zu 2¼ Prozent am 1. Juli und 2. Januar geleistet werden.

§ 16.

Die Generalversammlung (§. 30 des Bankgesetzes) vertritt die Gesammtheit der Reichsbank-Antheilseigner.
Zur Theilnahme ist jeder männliche und verfügungsfähige Antheilseigner berechtigt, welcher durch eine spätestens am Tage vor der Generalversammlung im Archive der Reichsbank abzuhebende Bescheinigung nachweist, daß und mit wie vielen Antheilen er in den Stammbüchern der Reichsbank als Eigner eingetragen ist.
Eintragungen, welche nicht mindestens 14 Tage vor dem Tage der Generalversammlung geschehen sind, werden nicht berücksichtigt.
Oeffentliche Behörden, juristische Personen, Gesellschaften und Verfügungsunfähige können durch ihre Vertreter, Ehefrauen durch ihre Ehemänner theilnehmen.
Als Bevollmächtigte werden nur in den Stammbüchern der Bank eingetragene Antheilseigner zugelassen, welche sich durch eine gerichtliche oder notarielle Vollmacht ihres Auftraggebers legitimiren. Ein und derselbe Bevollmächtigte darf nicht mehrere Antheilseigner vertreten.

§ 17.

Jeder Erschienene (§. 16) hat soviel Stimmen, als er Bankantheile vertritt, jedoch nicht mehr als 100 Stimmen.
Die einfache Stimmenmehrheit ist entscheidend. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme desjenigen den Ausschlag, welcher die größte Anzahl von Bankantheilen vertritt.

§ 18.

Die Generalversammlung findet alljährlich zu Berlin im März statt, kann aber auch jederzeit außerordentlich berufen werden. Die Berufung geschieht durch den Reichskanzler mittelst einer mindestens 14 Tage vorher in die dazu bestimmten Blätter (§. 30) aufzunehmenden öffentlichen Bekanntmachung.

§ 19.

In der Generalversammlung führt der Reichskanzler oder dessen Vertreter, und in deren Behinderung der Präsident des Reichsbank-Direktoriums den Vorsitz. Das Reichsbank-Direktorium wohnt derselben bei; die Mitglieder können sich an der Beratung betheiligen, ohne jedoch stimmberechtigt zu sein.

§ 20.

Ueber die Verhandlungen und Beschlüsse wird von einem Mitgliede des Reichsbank-Direktoriums ein Protokoll aufgenommen und von dem Vorsitzenden, einem Mitgliede des Zentralausschusses, zwei Reichsbank-Antheilseignern und dem Protokollführer unterschrieben.

§ 21.

Die Generalversammlung empfängt jährlich den Verwaltungsbericht nebst der Bilanz und Gewinnberechnung (§. 32a. des Bankgesetzes), wählt die Mitglieder des Zentralausschusses (§. 31 das.) und beschließt über deren Ausschließung (§. 33 das.). Sie beschließt ferner über Erhöhung des Grundkapitals (§. 2 des Statuts) und über Abänderung des Statuts, sofern diese Gegenstände in der Berufung ausdrücklich erwähnt sind.
Außerordentliche Generalversammlungen können nur über Gegenstände beschließen, welche in der Berufung ausdrücklich erwähnt sind.

§ 22.

Die Wahl der Mitglieder des Zentralausschusses, sowie ihrer Stellvertreter (§. 31 des Bankgesetzes) erfolgt mittelst verdeckter Stimmzettel für jede Stelle besonders.
Gewählt ist nur derjenige, welcher die absolute Stimmenmehrheit erhalten hat.
Wenn sich auch bei der zweiten Abstimmung eine absolute Stimmenmehrheit nicht herausstellt, so sind die beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben, auf eine engere Wahl zu bringen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.
Wählbar sind nur Männer.
Von mehreren Inhabern einer Handelsfirma kann nur Einer Mitglied des Zentralausschusses oder Stellvertreter sein.

§ 23.

Das Ausscheiden eines Drittheils der Mitglieder des Zentralausschusses (§. 31 Abs. 1 des Bankgesetzes) erfolgt in den beiden ersten Jahren nach dem Loose, späterhin nach dem Alter des Eintritts.

§ 24.

Bei der Wahl der Deputirten des Zentralausschusses und ihrer Stellvertreter (§. 34 des Bankgesetzes) hat jedes Mitglied nur eine Stimme abzugeben; im Uebrigen finden die Bestimmungen des §. 22 auch hier Anwendung.

§ 25.

Die Protokolle über die Verhandlungen und Beschlüsse des Zentralausschusses werden von dem Vorsitzenden, zwei Ausschußmitgliedern und dem protokollirenden Mitgliede des Reichsbank-Direktoriums unterzeichnet.

§ 26.

Die Mitglieder des Reichsbank-Direktoriums nehmen an den Berathungen des Zentralausschusses, nicht aber an den Abstimmungen Theil.

§ 27.

Die Bezirksausschüsse (§. 36 des Bankgesetzes) bestehen aus wenigstens vier und höchstens zehn Mitgliedern, von denen jährlich die Hälfte – das erste Mal nach dem Loose, demnächst nach dem Alter des Eintritts – ausscheidet. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar.

§ 28.

Zu Mitgliedern der Bezirksausschüsse und zu Beigeordneten (§. 36 des Bankgesetzes) können Antheilseigner nicht ausgewählt werden, welche nach §. 22 Absatz 4 und 5 zum Zentralausschusse nicht wählbar sind.

§ 29.

Zum Zweck der Auswahl der Mitglieder der Bezirksausschüsse und der Beigeordneten, wo diese vom Zentralausschusse vorzuschlagen sind (§. 36 des Bankgesetzes), ist dem Zentralausschusse die Vorschlagsliste des Bank-Kommissars und ein Verzeichniß der auswählbaren Antheilseigner vorzulegen.
Für die Wahl der Beigeordneten, insofern dieselbe durch die Bezirksausschüsse erfolgt, sind die Bestimmungen in §. 24 maßgebend.

§ 30.

Die für die Antheilseigner bestimmten Bekanntmachungen werden von dem Reichskanzler erlassen und in dem Deutschen Reichs-Anzeiger, sowie am Sitze einer jeden Reichsbankhauptstelle in einem durch Bekanntmachung zu bestimmenden Blatte veröffentlicht. Spezieller Benachrichtigung für den einzelnen Antheilseigner bedarf es nicht.
Die gleichen Blätter sind für die öffentlichen Bekanntmachungen des Reichsbank-Direktoriums zu benutzen, soweit der Zweck derselben nicht lokal beschränkt ist.

§ 31.

Im Falle der Aufhebung der Reichsbank (§. 41 des Bankgesetzes) erfolgt die Liquidation unter Leitung des Reichskanzlers durch das Reichsbank-Direktorium. Das letztere hat die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtung der Reichsbank zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen zu versilbern.
Zur Beendigung schwebender Geschäfte können auch neue Geschäfte eingegangen werden. Nach außen hin bleibt das Reichsbank-Direktorium zur Vertretung der Reichsbank nach Maßgabe von §. 38 des Bankgesetzes bis zur Liquidation ermächtigt.

§ 32.

Das Reichsbank-Direktorium hat die schließliche Auseinandersetzung zwischen dem Reiche und den Antheilseignern, sowie unter diesen herbeizuführen.

§ 33.

Die erste ordentliche Generalversammlung der Reichsbank-Antheilseigner findet im März 1877 statt. Bis dahin werden die Funktionen derselben durch eine Generalversammlung wahrgenommen, welche aus nachstehenden Personen gebildet wird.

1. aus denjenigen Eignern von Antheilen der Preußischen Bank, welche innerhalb der von dem Reichskanzler bestimmten Frist den Umtausch ihrer Antheilsscheine gegen solche der Reichsbank verlangt haben, oder deren Rechtsnachfolgern;
2. aus denjenigen Personen, welchen nach erfolgter Zeichnung ein Reichsbankantheil zugetheilt worden ist, oder deren Rechtsnachfolgern.
Dieselben wird noch vor dem 1. Januar 1876 behufs Vornahme der Wahlen zum Zentralausschusse aus den zu 1 und 2 bezeichneten Personen berufen, kann aber bis zum Zusammentritt der ersten ordentlichen Generalversammlung (Abs. 1) jederzeit berufen werden. Der Zentralausschuß tritt noch vor dem 1. Januar 1876 zusammen und wählt aus seinen Mitgliedern die Deputirten und deren Stellvertreter. Die Auswahl der Mitglieder der Bezirksausschüsse und der Beigeordneten erfolgt gleichfalls noch vor dem 1. Januar 1876 aus den zu 1 und 2 bezeichneten Personen.

§ 34.

Hinsichtlich der in §. 33 geordneten einstweiligen Vertretung der Reichsbank-Antheilseigner kommen die Bestimmungen des Bankgesetzes und dieses Statuts, welche von der Generalversammlung, dem Zentralausschusse, den Deputirten desselben, den Bezirksausschüssen und den Beigeordneten handeln, überall zu entsprechender Anwendung.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 21. Mai 1875.

(L. S.)  Wilhelm. 

  Fürst v. Bismarck.




Abtretung der Preussischen Bank an die Reichsbank

Titel: Vertrag zwischen Preußen und dem Deutschen Reiche über die Abtretung der Preußischen Bank an das Deutsche Reich.
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1875, Nr. 18, Seite 215 – 218
Fassung vom: 17./18. Mai 1875
Bekanntmachung: 24. Mai 1875
Quelle: Scan auf Commons

Nr. 1073.) Vertrag zwischen Preußen und dem Deutschen Reiche über die Abtretung der Preußischen Bank an das Deutsche Reich. Vom 17./18. Mai 1875.

Auf Grund der im §. 61 des Bankgesetzes vom 14. März d. J. (Reichs-Gesetzbl. S. 177) und im §. 1 des Gesetzes vom 27. März d. J. (Preuß. Ges. Samml. S. 166) ertheilten Ermächtigungen ist zwischen dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck Namens des Deutschen Reichs einerseits, und dem Königlich preußischen Finanzminister, Vize-Präsidenten des Staatsministeriums Camphausen, sowie dem Königlich preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten Dr. Achenbach Namens der Königlich preußischen Staatsregierung andererseits, folgender Vertrag abgeschlossen worden:

§. 1.

Der preußische Staat zieht sein Einschußkapital bei der Preußischen Bank von 5.720.400 Mark und seinen Antheil von deren Reservefonds mit 9.000.000 Mark mit dem 1. Januar 1876 zurück.
Mit diesem Tage geht die Preußische Bank nach Maßgabe dieses Vertrages mit allen ihren Rechten und Verpflichtungen auf das Reich über.
Das Reich wird diese Bank auf die Reichsbank (§. 12 des Reichsbankgesetzes) übertragen.
Die Uebergabe der Preußischen Bank an das Reich erfolgt in der Art, daß der Chef der Preußischen Bank das Vermögen der letzteren dem Reichsbank-Direktorium von dem gedachten Tage ab schriftlich zur weiteren Verwaltung überweist.

§. 2.

Die Beamten der Preußischen Bank werden unter Beibehaltung ihres Ranges, ihrer Anziennetät und ihres Diensteinkommens von der Reichsbank übernommen.
Beamte, welche in den Dienst der letzteren überzutreten nicht geneigt sein sollten, werden von der Königlich preußischen Staatsregierung einstweilig in den Ruhestand versetzt. Ansprüche auf Diensteinkommen, Wartegeld oder Ruhegehalt, welche ein Beamter der Preußischen Bank für die Zeit vom 1. Januar 1876 ab zu erheben berechtigt ist, sind von der Reichsbank zu vertreten. Dasselbe gilt von den Bezügen der Hinterbliebenen von Beamten der Preußischen Bank mit Ausschluß der bei der Königlich Preußischen Allgemeinen Wittwen-Verpflegungsanstalt versicherten Pensionen.

§. 3.

Preußen erhält vom Reiche für Abtretung der Preußischen Bank eine Entschädigung von 15.000.000 Mark, welche aus den Mitteln der Reichsbank zu decken und Preußen vom 1. Januar 1876 ab zur Verfügung zu stellen ist.

§. 4.

Den bisherigen Antheilseignern der Preußischen Bank wird die Befugniß vorbehalten, innerhalb einer von dem Reichskanzler zu bestimmenden Frist gegen Verzicht auf alle ihnen durch ihre Bankantheilsscheine verbrieften Rechte zu Gunsten der Reichsbank den Umtausch dieser Urkunden gegen Antheilsscheine der Reichsbank von gleichem Nominalbetrage zu verlangen.

§. 5.

Die Reichsbank übernimmt die Befriedigung der Ansprüche, zu deren Erhebung die legitimirten Eigner solcher Antheilsscheine der Preußischen Bank berechtigt sind, welche nicht nach §. 4 gegen Reichsbank-Antheilsscheine umgetauscht werden. Die Reichsbank hat demgemäß vom 1. Januar 1876 ab diesen Antheilseignern die Zahlung ihres Einschußkapitals, sowie ihres Antheils am Reservefonds nach Maßgabe der Bestimmungen in den §§. 16 und 19 der Bankordnung vom 5. Oktober 1846 zu leisten.

§. 6.

Die Reichsbank zahlt zur Erfüllung der von der Preußischen Bank durch den Vertrag vom 28./31. Januar 1856 hinsichtlich der Staatsanleihe von 16.598.000 Thlr. übernommenen Verbindlichkeiten an Preußen vom 1. Januar 1876 ab jährlich 621.910 Thlr. = 1.865.730 M in halbjährlichen Raten. Diese Verbindlichkeit erlischt mit dem 1. Juli 1925, so daß für das Jahr 1925 nur der an diesem Tage fällige Betrag von 310.955 Thlr. = 932.865 M zu zahlen ist.
Wird die Konzession der Reichsbank nicht verlängert, so wird das Reich dafür sorgen, daß, so lange keine andere Bank in diese Verpflichtung eintritt, die Rente bis zu dem gedachten Zeitpunkte der preußischen Staatskasse unverkürzt zufließe.
Das der Preußischen Bank in dem Vertrage vom 28./31. Januar 1856 in Verbindung mit dem Uebereinkommen vom 22. April 1874 zugestandene Recht, einen dem jedesmaligen, gemäß §. 6 des Vertrages vom 28./31. Januar 1856 festzustellenden Betrage des Tilgungsfonds der Staatsanleihe von 1856 gleichen Betrag in Schuldverschreibungen der 4½ prozentigen konsolidirten Staatsanleihe nach dem Nennwerth an die preußische Staatskasse abzuliefern und auf die zu zahlenden Raten von 621.910 Thlr. abzurechnen, erlischt mit Ablauf des Jahres 1875.

§. 7.

Die Vermögensbilanz und die Gewinnberechnung der Preußischen Bank für das Jahr 1875 werden in Gemäßheit der §§. 95 und 96 der Bankordnung vom 5. Oktober 1846 und der seither beobachteten Grundsätze durch das Reichsbank-Direktorium unter Mitwirkung des Zentralausschusses der Preußischen Bank und seiner Deputirten aufgemacht und mit den Vorschlägen über die Vertheilung des Gewinnes und die Höhe der Dividende für die bisherigen Antheilseigner der Preußischen Bank dem Königlich preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zur definitiven Festsetzung und Ertheilung der Decharge eingereicht.

§. 8.

In die Bilanz (§. 7) sind die Grundstücke der Preußischen Bank zu demjenigen Betrage aufzunehmen, welcher im Einverständniß mit dem Reichskanzler als der wirkliche Werth derselben ermittelt ist.
Die nach §. 61 Ziffer 6 des Bankgesetzes vorbehaltene Auseinandersetzung Preußens mit der Reichsbank wegen der gedachten Grundstücke ist damit vollzogen. Nachforderungen wegen etwaigen Mehr- oder Minderwerths sind ausgeschlossen.

§. 9.

Die Reichsbank übernimmt, so lange die Königlich preußische Staatsregierung es verlangt, die fernere Einziehung der in Nr. II. der Königlich preußischen Kabinetsordre vom 18. Juli 1846 bezeichneten Aktiva für Rechnung des preußischen Staats in derselben Weise, wie solche bisher der Preußischen Bank obgelegen hat. Die darauf erfolgenden Eingänge sind an die preußische Staatskasse abzuführen.

§. 10.

Der auf Grund der in den §§. 7 und 8 gedachten Verhandlungen zu entwerfende Verwaltungsbericht nebst dem Jahresabschlusse für das Jahr 1875 wird von dem Königlich preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten einer spätestens auf den 31. März 1876 durch ihn zu berufenden Versammlung der Meistbetheiligten vorgelegt, welcher das Reichsbank-Direktorium beiwohnt.
Dieselbe wird aus denjenigen 200 Personen gebildet, welche nach den Stammbüchern der Preußischen Bank am 31. Dezember 1875 die größte Anzahl von Antheilen derselben besessen haben, gleichviel ob sie den Umtausch gegen Reichsbank-Antheilsscheine (§. 4) verlangt haben oder nicht. Im Uebrigen kommen die §§. 61 bis 65 und 97 der Bankordnung vom 5. Oktober 1846 mit den sich aus der Natur der Sache ergebenden Aenderungen auch auf diese letzte Generalversammlung zur Anwendung. Die Auszahlung der Restdividende gegen Einreichung der betreffenden Dividendenscheine an den von dem Königlich preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zu bestimmenden Orten übernimmt die Reichsbank.

§. 11.

Vorbehaltlich der in dem gegenwärtigen Vertrage enthaltenen Bestimmungen hören die durch die Bankordnung vom 5. Oktober 1846, das Gesetz vom 7. Mai 1856 (Preuß. Ges. Samml. S. 342) und den Vertrag vom 28./31. Januar 1856 begründeten Rechtsverhältnisse zwischen dem preußischen Staat und der Preußischen Bank mit dem 1. Januar 1876 auf.

§. 12.

Die in den §§. 21, 22, 23 und 25 der Bankordnung vom 5. Oktober 1846 (Preuß. Ges. Samml. S. 435) bestimmten Rechte und Verpflichtungen der Preußischen Bank, betreffend die Belegung von Geldern der gerichtlichen Depositorien, der Kirchen, Schulen, Hospitäler und anderen milden Stiftungen und öffentlichen Anstalten, sowie die auf Grund jener Bestimmungen hinterlegten Beträge werden mit der Preußischen Bank auf die Reichsbank übertragen.
Beide Theile behalten sich das Recht der Kündigung mit halbjähriger Frist unter nachstehenden Maßgaben vor:

1. Wenn und soweit die Kündigung erfolgt, hören die Eingangs erwähnten Rechte und Verpflichtungen mit dem Ablauf der Kündigungsfrist für die Zukunft auf und ist alsdann die Rückzahlung der hinterlegten Gelder zu bewirken.
2. Bezüglich der Gelder aus gerichtlichen Depositorien kann die Kündigung seitens der preußischen Staatsregierung frühestens am 1. Februar 1876, seitens des Reichs frühestens am 1. Februar 1877 erfolgen. Die Rückzahlung der beim Ablauf der Kündigungsfrist hinterlegten Gelder dieser Art erfolgt, abgesehen von den im laufenden Geschäftsverkehr zu leistenden Rückzahlungen, in fünf gleichen Raten, welche in aufeinanderfolqenden Fristen von je drei Monaten fällig sind, und von denen die erste mit dem Ablauf der Kündigungsfrist zahlbar ist.
Werden die Vorschriften der preußischen Gesetzgebung über die Unterbringung und Ausleihung von Geldern aus gerichtlichen Depositorien aufgehoben, so hört vom Tage der Gesetzeskraft dieser Aufhebung die Verpflichtung zur Belegung solcher Gelder bei der Reichsbank für die Zukunft auf.

§. 13.

Die im §. 12 vereinbarten Bestimmungen treten nur in dem Falle in Wirksamkeit, wenn der Königlich preußischen Staatsregierung die gesetzliche Ermächtigung zum Abschluß eines Vertrages mit dem Reiche über die Belegung von Geldern der gerichtlichen Depositorien etc. im Laufe des Jahres 1875 ertheilt wird.
Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten den gegenwärtigen Vertrag in doppelter Ausfertigung vollzogen.
Friedrichsruh, den 18. Mai 1875.   Berlin, den 17. Mai 1875.
(L. S.) (L. S.)
Der Reichskanzler. Der Königlich preußische
Finanzminister, Vize-Präsident
des Staatsministeriums.
Der Königlich preußische
Minister für Handel, Gewerbe
und öffentliche Arbeiten.
v. Bismarck. Camphausen. Achenbach.